Oberster Lungenarzt verurteilt Anti-Lockdown-Vorstoß und fordert Aufhebung von Personaluntergrenzen
Deutschlands Lungenärzte haben den Anti-Lockdown-Vorstoß von Kassenarztchef Andreas Gassen und dem Virologen Hendrik Streeck scharf verurteilt. "Die Position, die unautorisiert im Namen der Ärzte- und Wissenschaft vertreten wurde, war nicht zielführend und hatte keine gute Wirkung, weil sie zur Verunsicherung der Bevölkerung geführt hat", sagte Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Die DGP bereitet gemeinsam mit den anderen Fachgesellschaften eine Stellungnahme vor, in der wir klar die abweisende Sichtweise der Fachgesellschaften darstellen", kündigte Pfeifer an.
Deutschlands Lungenärzte haben den Anti-Lockdown-Vorstoß von Kassenarztchef Andreas Gassen und dem Virologen Hendrik Streeck scharf verurteilt. "Die Position, die unautorisiert im Namen der Ärzte- und Wissenschaft vertreten wurde, war nicht zielführend und hatte keine gute Wirkung, weil sie zur Verunsicherung der Bevölkerung geführt hat", sagte Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Die DGP bereitet gemeinsam mit den anderen Fachgesellschaften eine Stellungnahme vor, in der wir klar die abweisende Sichtweise der Fachgesellschaften darstellen", kündigte Pfeifer an.
Auf die Frage, ob Gassen als Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zurücktreten müsse, sagte der DGP-Präsident: "So weit würde ich nicht gehen. Wir sehen diese Aussagen kritisch, da sie weder die Meinung der wissenschaftlichen Fachgesellschaften noch eine mehrheitliche Meinung der Wissenschaft darstellen." Pfeifer leitet die Pneumologie an drei Kliniken in Süddeutschland. "Wir erleben die Corona-Realität nicht nur anders und sehr intensiv im klinischen Alltag, sondern haben auch wissenschaftlich einen anderen Erkenntnisstand", sagte er.
Gassen, Streeck und der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hatten am Tag des Corona-Gipfels am vergangenen Mittwoch ein Positionspapier veröffentlicht, in dem vor neuen Verboten zur Pandemiebekämpfung gewarnt wurde. Schon mehrere Verbände, die in dem Papier als "Unterstützer" genannt werden, haben sich von dem Trio distanziert.
DGP-Präsident Pfeifer sagte der NOZ, der Teil-Lockdown sei "aus unserer Sicht eindeutig richtig". Die Vorhersagen von vor drei, vier Wochen seien eingetreten, teilweise schlimmer als angenommen. "Das heißt: Wir brauchen jetzt eine starke Reduzierung sozialer Kontakte, nur so bekommen wir die Pandemie vielleicht wieder unter Kontrolle." Durch frühere Beschlüsse wäre es einfacher gewesen, die Welle an Neuinfektionen zu brechen, ergänzte der Arzt und betonte: "Es geht ja eben nicht nur um die Behandlung von Covid-19-Fällen. Wenn der Gesundheitsnotstand kommt, nehmen viel mehr Patienten Schaden. Schaffen wir die Grundversorgung nicht mehr, dann können ganz viele andere Fälle nicht länger optimal behandelt werden. Das ist die große Gefahr, vor der wir stehen."
Aus "medizinischer Sicht" könnten sogar weitergehende Maßnahmen oder eine Verlängerung des Teil-Lockdowns notwendig werden, wenn die Pandemie nicht gebremst wird, sagte Pfeifer weiter. "Stand jetzt können wir es aber auch schaffen. Wir haben viel gelernt. So wird mit Hochdruck an einem Mechanismus zur Verteilung von Covid-Intensivpatienten aus besonders betroffenen Regionen gearbeitet."
Weiterhin hat Pfeifer Gesundheitsminister Jens Spahn aufgerufen, zur Abwendung eines coronabedingten Gesundheitsnotstandes die Personaluntergrenzen in der Pflege wieder auszusetzen. "Schaffen wir die Grundversorgung nicht mehr, dann können ganz viele andere Fälle nicht länger optimal behandelt werden. Das ist die große Gefahr, vor der wir stehen", sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Ein limitierender Faktor, um aus der Personalfalle herauszukommen, ist die Pflege-Untergrenze, die wir grundsätzlich für richtig und gut halten. In der aktuellen Situation aber verschärft sie die Situation, sodass wie im Frühjahr über eine Aussetzung nachgedacht werden muss."
Mit den Personaluntergrenzen will Spahn eine Überforderung der Pflegekräfte verhindern. Allerdings müssen Krankenhausstationen Patienten abweisen, wenn sie die Grenzen nicht einhalten. In der ersten Corona-Welle hatte der Gesundheitsminister die Regeln daher ausgesetzt. Das Personalproblem insbesondere in der Intensivpflege sei seit etwa zehn Jahren bekannt, die Politik sei nicht dagegen vorgegangen, sagte Pfeifer. "Aber wir können uns keine Pflegekräfte zaubern", beschrieb er die schwierige Lage.
Der leitende Lungenarzt an drei Kliniken in Regensburg und Donaustauf bezeichnete den Anstieg der Zahl von Corona-Patienten als "rasant und bedrohlich". Dabei fehle es nicht an Beatmungsgeräten und Betten, sondern an Personal. "Das Gesamtpersonal wird es nicht schaffen, noch einmal wie im Frühjahr so eine enorme Kraftanstrengung zu erbringen, und schon gar nicht über fünf Monate. Das macht mir die größten Sorgen", sagte der DGP-Präsident. "Wir haben das im Frühjahr hinbekommen, indem wir andere Krankenhausbereiche extrem nach unten gefahren haben, indem planbare Eingriffe verschoben wurden und Kontrollen ausgefallen sind. So einen Teil-Lockdown innerhalb der Kliniken können wir aber nicht wiederholen." Es sei aber "sicher", dass "bestimmte planbare Eingriffe wieder verschoben werden müssen". Sollten die Zahlen weiter schnell steigen, so Pfeifer, "dann werden auch wir Personal einsetzen müssen, das keine Intensivpflegeausbildung hat, nach Möglichkeit unter Supervision. Das ist eine Notlösung."