Weniger wäre mehr, Kommentar zum Brexit von Andreas Hippin
Frankfurt (ots) - David Cameron hat ein Problem: Es konnte ja keiner ahnen, dass seine Konservativen bei den Unterhauswahlen Anfang des Monats die absolute Mehrheit holen würden. So erfreulich das für die Tories auch gewesen sein mag, die angekündigte Volksabstimmung über den Austritt aus der Europäischen Union lässt sich nun nicht mehr unter Verweis auf einen unwilligen Koalitionspartner auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Frankfurt (ots) - David Cameron hat ein Problem: Es konnte ja keiner ahnen, dass seine Konservativen bei den Unterhauswahlen Anfang des Monats die absolute Mehrheit holen würden. So erfreulich das für die Tories auch gewesen sein mag, die angekündigte Volksabstimmung über den Austritt aus der Europäischen Union lässt sich nun nicht mehr unter Verweis auf einen unwilligen Koalitionspartner auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Der britische Premierminister ist natürlich für den Verbleib seines Landes in der Staatengemeinschaft. Cameron wollte mit dem Versprechen, ein Referendum abzuhalten, nur den EU-Gegnern von der UK Independence Party (Ukip) im Wahlkampf den Wind aus den Segeln nehmen. Zudem nahm er an, mit der Austrittsdrohung im Rücken in Brüssel bessere Konditionen herausholen zu können. Nun zeichnet sich ab, dass er unter den europäischen Partnern kaum Unterstützung für seine Forderung nach mehr nationaler Souveränität findet. Eine Änderung der EU-Verträge, wie von London angestrebt, wird nicht zu erreichen sein. Europa beschäftigen andere Themen wie die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer und der sich abzeichnende Staatsbankrott Griechenlands. Und zumindest Berlin und Paris wollen mehr als eine Freihandelszone: die Vereinigten Staaten von Europa, um den USA auf der Weltbühne besser Konkurrenz machen zu können. Weniger wäre mehr, denn eine noch tiefere Integration wird mit den Briten nicht zu machen sein. Europafreunden unter den Konservativen wie Cameron sind vor der Volksabstimmung die Hände gebunden. Zu dünn ist die Mehrheit der Tories in Westminster, um so richtig die Werbetrommel für die EU zu rühren, zu groß die Gefahr, dass brüsselfeindliche Hinterbänkler zu Ukip überlaufen. Die nach Stimmen drittstärkste politische Partei des Landes dürfte den Ton der Debatte vorgeben. Auch wenn sich Nigel Farages Wahlverein zuletzt selbst demontierte, darf mit seinem Comeback gerechnet werden. Das Thema Europa ist heiß. Das zeigt sich schon daran, dass man sich inzwischen auch bei Labour für ein Referendum ausspricht. Die bisherige Verweigerungshaltung hat bei der Wahl offenbar zu viele Stimmen gekostet.
Auch in anderen Ländern wachsen EU-feindliche Bewegungen. Aber Cameron kommt zu früh, um bei den europäischen Partnern auf offene Ohren zu stoßen. Wer in dieser Situation wie François Hollande auf stur stellt, nimmt den Austritt Großbritanniens billigend in Kauf und sorgt dafür, dass die Zentrifugalkräfte weiter zunehmen.