Die Sicherheitskonferenz hat die Gräben zwischen den Nato-Verbündeten aufgezeigt
Wenn es die Münchner Sicherheitskonferenz nicht gäbe, man müsste sie glatt erfinden. Nirgendwo sonst kommen so viele Staats- und Regierungschefs, Chefdiplomaten, Sicherheitsexperten und -organisationen zusammen wie jedes Jahr in der bayerischen Metropole. Und dabei werden nicht nur geschliffene, aber blutleere diplomatische Worthülsen ausgetauscht, sondern es wird unverblümt das ausgesprochen, was man denkt.
Wenn es die Münchner Sicherheitskonferenz nicht gäbe, man müsste sie glatt erfinden. Nirgendwo sonst kommen so viele Staats- und Regierungschefs, Chefdiplomaten, Sicherheitsexperten und -organisationen zusammen wie jedes Jahr in der bayerischen Metropole. Und dabei werden nicht nur geschliffene, aber blutleere diplomatische Worthülsen ausgetauscht, sondern es wird unverblümt das ausgesprochen, was man denkt.
Das Format Sicherheitskonferenz hat sich auch in einer immer komplizierter werdenden Welt, mit zunehmenden Interessengegensätzen und gefährlichen Entwicklungen nicht überlebt. Gleichwohl sollte man das Münchner Forum nicht überhöhen. Das vom unermüdlichen Wolfgang Ischinger organisierte Diskussionsforum kann nur ein Spiegelbild der weltweiten Entwicklungen sein. München 2020 hat erneut und überaus deutlich die tiefen Gräben zwischen den Nato-Verbündeten aufgezeigt. Während US-Außenminister Mike Pompeo, ganz im Stile von Donald Trump, die Probleme und Herausforderungen in Wahlkampfmanier herunter redet - der Westen gewinnt, zusammen gewinnen wir - traten vor allem französische und deutsche Redner als mehr oder weniger ohnmächtige Euphoriebremsen auf.
Washington sind internationale Abkommen und Verträge, ja sogar die Uno, ziemlich schnuppe, wenn es um das Durchsetzen nationaler Interessen geht. Paris und Berlin beschwören dagegen, was ja völlig richtig ist, das Völkerrecht, die Diplomatie, den Ausgleich zwischen Staaten und zwischen Konfliktparteien. Allerdings, und das ist das in München vorgeführte Dilemma, ist der Westen, die Nato, kopflos, uneins. Wie man sich den globalen sicherheitspolitischen Herausforderungen stellen will, darüber gibt es diesseits und jenseits des Atlantiks gravierende Meinungsunterschiede. Dass über diese Differenzen die Nato nicht zerbricht, ist zumindest einer der wenigen Lichtblicke. Die militär- und bündnispolitische Klammer hält offenbar über alle Differenzen hinweg.
Freilich ist auch die Nato brüchiger geworden. Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges, der Ost-West-Konfrontation gibt es heute nicht mehr den einen großen Feind, gegen den sich alle Anstrengungen ausrichteten. Dieser Deckel ist mit der Implusion des Sowjetreiches und seiner osteuropäischen Satelliten weggeflogen. Doch statt einer Zeit immerwährenden Friedens und von rein diplomatischen, völkerrechtlichen Lösungen, treten nun ständig neue Konflikte mit Macht zu Tage, vom Nahen und Mittleren Osten bis Afrika, Asien oder Lateinamerika.
In der Haltung zum Iran, in dem das Mullah-Regime ungeniert nach Atomwaffen greift und der Vertrag zur Verhinderung nahezu unwirksam ist, zeigt sich die westliche Uneinigkeit ebenso wie in Syrien oder Libyen. Das mühsam ausgehandelte Friedenspaket für den Wüstenstaat wurde vor vier Wochen unter großem Einsatz von Angela Merkel auf den Weg gebracht. Doch die Machthaber in Moskau und Ankara stört das nicht. Sie zündeln in Libyen weiter. Und in Syrien verfolgen sie mit viel Militär brutal eigene Interessen. Putin stützt das verbrecherische Assad-Regime, unter anderem weil es die russischen Marinestützpunkte im Mittelmeer garantiert. Und Erdogan baut im Norden Syriens - unter anderem mit deutschen Panzern - einen Puffer gegen Kurden, die zuvor mit Nato-Hilfe die IS-Terroristen bekämpften. Solange Deutschland und die gesamte EU nur mahnende Worte finden und keine neuen diplomatischen, wirtschaftlichen und - ja auch militärischen - Antworten auf diese Herausforderungen geben, bleiben sie im Grunde ohnmächtige Zuschauer. München hat das noch einmal deutlich vor Augen geführt.