Das Ende einer Ära
Besuche von US-Präsidenten in Berlin haben oft etwas Historisches. Man muss nicht die berühmte "Ick bin ein Berliner"-Rede Kennedys vor dem Schöneberger Rathaus 1963 bemühen. Oder Reagens eindringliche Aufforderung im Jahr 1987 vor dem Brandenburger Tor in Richtung Moskau: "Mister Gorbatschow, tear down this wall!" Auch Obamas Auftritt 2008 an der Siegessäule ist in guter Erinnerung geblieben.
Besuche von US-Präsidenten in Berlin haben oft etwas Historisches. Man muss nicht die berühmte "Ick bin ein Berliner"-Rede Kennedys vor dem Schöneberger Rathaus 1963 bemühen. Oder Reagens eindringliche Aufforderung im Jahr 1987 vor dem Brandenburger Tor in Richtung Moskau: "Mister Gorbatschow, tear down this wall!" Auch Obamas Auftritt 2008 an der Siegessäule ist in guter Erinnerung geblieben.
Und Biden? Er brachte gestern außer Chaos, Behinderungen, viel Aufwand für die Sicherheitsbehörden und ein paar freundlichen Worten den Deutschen nicht viel mit. Nicht mal ein Bad in der Menge nahm der 81-Jährige, so dass auch die Bilder von dem Besuch im Erinnerungsalbum der Stadt statisch und stimmungslos bleiben. Auch eine Pressekonferenz sparte er sich, vielleicht aus Angst, er könne auf der Zielgeraden des US-Wahlkampfs noch in ein Fettnäpfchen treten. Unterm Strich, so ist zusammenzufassen, standen Aufwand und Kosten dieser Visite in keinerlei Verhältnis zum Ergebnis.
Das war schon vorher klar, mag man einwenden. Biden ist schließlich nicht erst seit gestern die "Lame Duck", die sprichwörtliche lahme Ente, deren Handlungsfähigkeit zwei Wochen vor der US-Präsidentenwahl kaum noch vorhanden ist. Das wäre übrigens auch eine Woche zuvor, als der Staatsbesuch durch einen "Ukraine-Solidaritätsgipfel" in Ramstein hätte ergänzt werden sollen und dann aufgrund des Hurrikans "Milton" abgesagt wurde, nicht anders gewesen. Zu erwarten, Biden würde in Deutschland nochmal zu großer Form auflaufen und Botschaften überbringen, auf die Welt wartet, wäre also vermessen gewesen.
Und doch überkam einen gestern, als sich die Türen der "Air Force One" schlossen und die Präsidentenmaschine wieder gen Washington abhob, das Gefühl, etwas Historisches erlebt zu haben. Dass es sich der alte Mann nicht nehmen ließ, so kurz vor seinem Abtritt nochmal die Strapaze einer 20-Stunden-Berlin-Visite auf sich zu nehmen, um die höchste Auszeichnung des Landes abzuholen, war ein Ehrerweis, der mehr sagt als blumige Worte auf Pressekonferenzen. Mit Biden verlässt ein Politiker und Transatlantiker alter Schule die Bühne - und Vieles dürfte nach ihm anders werden.
Dass Donald Trump die Nato und auch das gute Verhältnis zu Europa für obsolet hält, hat er schon oft betont. Kamala Harris gibt sich zwar Nato-treu, doch es ist davon auszugehen, dass auch sie sich an die Devise "America First" hält. So markiert Bidens Abschiedsbesuch in Berlin wahrscheinlich auch das Ende einer Ära im transatlantischen Verhältnis.