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Redaktion
Sonntag, 03. Mai 2015 um 18:23 Uhr

WAZ: Zweite Amtszeit wäre bequem - Kommentar von Miguel Sanches zur Gauck-Debatte

Essen (ots) - Ein Gentleman schweigt und genießt. Auf den Bundespräsidenten trifft das sicher zu, wenn er liest, was Politiker aus fast allen Lagern über ihn sagen: dass Joachim Gauck Deutschland guttut. Das tut wiederum Gauck gut.

Diese Debatte über eine zweite Amtszeit kommt zu früh. Er ist bis 2017 gewählt. Es reicht, wenn er sich ein Jahr vorher erklärt. Stattdessen: subtile Botschaften aus der Politik. Erstens wird Gauck geschätzt und bräuchte um eine Mehrheit nicht zu bangen. Gut zu wissen. Es macht ihn frei. Zweitens geben sie dem Präsidenten zu verstehen, dass sie seine Nachfolge durchaus schon auf der Agenda haben. Zu viel Zeit soll er sich auch nicht lassen. 2017 wird ein neuer Bundestag gewählt und darob die Präsidentenfrage schnell zum Politikum; oft genug war es so.

Deswegen wäre Gaucks Wiederwahl so bequem. Sie würde SPD und Union vieles ersparen, allen voran die Versuchung der Taktiererei. Auch FDP und Grüne wären erleichtert. Bis auf die Linkspartei reklamieren ihn alle für sich, obwohl Gauck sein Amt nicht im Stile eines Chamäleons ausgeführt hat. Gauck hat sich als politischer, unangepasster Präsident erwiesen. Außenpolitisch hat er eine neue Diskussion über die deutsche Verantwortung angestoßen. Ob man es mag oder nicht - er hat einen eigenen Kopf und er hat etwas bewegt.

Spätestens hier ist der Zeitpunkt gekommen, sich in Joachim Gaucks Lage zu versetzen. Die meisten Vorgänger taten mit einer erneuten Bewerbung sich selbst keinen Gefallen. Gerade Gauck hat allen Grund, die Erfahrungen seiner Vorgänger zu berücksichtigen, weil er nach einer Wiederwahl bis zum zarten Alter von 82 Jahren im Amt bleiben würde. Der Präsident muss sich fragen, was das Anliegen einer zweiten Amtszeit sein könnte.

Das Amt - allein die vielen Reisen - schlaucht ungemein. Es ist, mit Verlaub, nichts für Greise. Gauck wird in sich hineinhorchen und beim leisesten Zweifel eine Kandidatur verwerfen. Es ist seine Entscheidung - auch der Zeitpunkt der Verkündung. So viel Respekt muss sein. Falls die Machs-noch-einmal-Debatte anhält, wäre es eine politische Nötigung.



Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung